ANTONINO MARCELLO

Sie

Sie war sehr schön. Jeden Tag. Immer dann, wenn diese alte Uhr, so alt, dass sie mir immer so vorkam als hätte sie alle Zeit dieser Welt, als hätte sie schon längst durchschaut, dass die Zeitmessung, die Unterteilung nach Jahren, Tagen, Stunden, Minuten nur eine menschliche fixe Idee, nicht existierend und doch allgegenwärtig ist. Also wenn ihre Zeiger am zweiten Strich zwischen der Fünf und der Zehn für eine lächerliche Zeitspanne von sechzig Sekunden stehenblieben, vergaß ich die Welt und...drehte mich nach ihr um. Sie war im Augenblick der Erscheinung der Höhepunkt meines Tages, meines Lebens. Unnahbar, erhaben schritt sie elegant den Bürgersteig entlang, schaute nach unten, als wolle sie sich vergewissern, dass die Steine, die sie gestern sah, immer noch auf sie warteten. So wie ich. Und wie gerne wäre ich ein Stein gewesen, der sich mitten in den Weg gestellt hätte, um von ihr angeschaut zu werden. Es hätte gereicht. Ihr Blick: Sprache, Dialog. Ihr Schritt: Berührung, Annäherung. LIEBE. Doch blieb ich Mensch. Schmerzvoll, tragisch, Mensch zu sein wenn man darauf verzichten möchte, wenn man alles andere zu sein sich wünscht, bloß nicht Mensch. Um das Denken abzustellen, weil quälend, weil liebend. Ja! Ich hätte gerne darauf verzichtet, denn...sie drehte sich nie nach mir um.

© Antonino Marcello

Gemeinsamkeiten

Als verkappter Intellektueller leide ich unter klaren Leidenschaften. Dazu gehört das Blättern in Zeitungen und alles was Buchstaben sichtbar macht. Meistens ist es Papier. Manchmal glänzend, sonst grau. Leidenschaften sind töricht. Stur und gemein. Sie überfallen den Menschen plötzlich, unerwartet. Schon im Kindesalter bemächtigen sie sich seiner... Weiterlesen

© Antonino Marcello

Hundefutter

Der Hund neben mir hatte vier Beine. Die Frau an der Ladentheke zwei. Dazu kamen ihre Hände, die bekanntlich beim weiblichem Geschlecht ein Paar bilden. Manche, sagt man, haben zwei linke Hände. Damit meint man die Unfähigkeit handwerkliche Arbeit zu verrichten. Sie dagegen, nach der Art wie sie die Dosen, die das Hundefutter in sich bargen, rotieren ließ, machte einen sicheren Eindruck. Was ihre Hände anbelangte... Weiterlesen

© Antonino Marcello

-Chat-

Schon erledigt. Der Punkt ist gesetzt. Der Satz zu Ende. Ich lasse dich frei. Fliege hinaus. Du erlangst wieder die Freiheit. Eine unklare Beziehung ist nicht mehr existent. Sie bestand doch nur aus Konsonanten. Aus Vokalen. Ich gebe zu: nur eine Illusion. Und doch vermittelte sie mir Gefühle... Weiterlesen

© Antonino Marcello

Unter uns

Heute scheint die Sonne. Jedes Mal, wenn sie die Tage erhellt, macht sie mich melancholisch. Weil ich an die Ferne denke, da wo ich herkomme. Und diese Melancholie lässt mich schleifen, lässt in mir Gedanken, Erinnerungen aufkeimen, manchmal weit zurück in die Vergangenheit, öfter nur ins Gestern... Weiterlesen

© Antonino Marcello

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