PROSA

Unter uns

Heute scheint die Sonne. Jedes Mal, wenn sie die Tage erhellt, macht sie mich melancholisch. Weil ich an die Ferne denke, da wo ich herkomme. Und diese Melancholie lässt mich schweifen, lässt in mir Gedanken, Erinnerungen aufkeimen, manchmal weit zurück in die Vergangenheit, öfter nur ins Gestern. Genau das Gestern ist heute an der Reihe. Denn gestern waren wir vereint, waren wir unzertrennlich, Freunde. Heute sind diese Gefühle verblasst und doch immer gegenwärtig. Ich sehe euch noch, auf der anderen Seite des Ufers, und zwischen uns eine zersprengte Brücke. Wir grinsen uns gegenseitig an, wir trauern. Ich, der Dreckskerl, der, der nicht verstand, worum es eigentlich ging, als wir über die teuerste Meile der Stadt schlenderten, uns angaffen ließen: habe alles zerstört, wollte nicht mehr mitspielen, wie ein ungezogenes Kind. Dieses Spiel der Nichtigkeiten, der Heuchelei, des Versteckens und Nichthinterfragens der eigenen Käuflichkeit-, es war mir zuwider geworden. Plötzlich. Unverschämt. Wir waren wer mit den Armanibrillen und den Moschinogürteln. Vielmehr wart ihr für jede Sekunde eines Schrittes imposante Gestalten einer käuflichen Welt. Ich dagegen, wie hätte ich mithalten können mit meinen komischen Gedanken über Gerechtigkeit und Respekt? Ich konnte nur Bücher und schlaue Sätze anbieten. Wertloses Inventar eines anderen Spiels. Ja, gewiss, manchmal, wenn die Tage hineinbrachen, wie von Zeus geschleuderte Blitze, wenn alles zu versinken schien, das Glück euch verließ und euer Wunsch nach Rettung eure Hände nach mir strecken ließ, dann... dann ließen wir uns nicht mehr los und malten uns eine gemeinsame Zukunft aus. Wie oft gerettet, aus dem Dreck herausgezogen, aus diesem Morast falscher Gefühle, den euch andere zuteilten, wie oft die einzigen lieben Sätze eines Tages für euch ausgesprochen, für euch erfunden. Heute, liebe Freundinnen, ist die Freundschaft der Eitelkeit gewichen.

© Antonino Marcello

Prosa-Texte Fabellae Antonino Marcello